Geschichte des Asse-Schachts
Probebohrungen – etwa ab 1895 – beim Waldhaus in Wittmar ergaben, dass der Boden reich an Kali war. Die Nachfrage danach war riesig – es wurde großflächig als Düngemittel eingesetzt. Und die Gegend war ohnehin bereits als äußerst salzträchtig bekannt. Nach den Probebohrungen wurde ziemlich schnell ein Schacht hinunter getrieben. Der Abbau begann 1899. „Diese Zeit hat die Ortschaft Wittmar einschneidend geprägt“, berichtet der Ortsheimatpfleger Krämer.
So zählte die Ortschaft 1899 etwa 180 Einwohner. Kurz nach der Jahrhundertwende waren es bereits 850: Eine Kolonisierung im Zeichen des Bergbaus, die infrastrukturelle Änderungen und Modernisierungen im großen Stile nach sich zog. Die plötzlich benötigten zahlreichen Bergarbeiter kamen beispielsweise aus dem gut 80 Kilometer östlich gelegenen Staßfurt.
Der Hauptakteur in diesem Prozess war ein Vorgänger der Burbacher Kaliwerke – der Konzern wurde im Laufe der Jahre unter verschiedenen Namen geführt, unter anderem auch Gumpel-Konzern – mit Hauptsitz in Staßfurt. Die Firma investierte in die Bohrungen, das Abteufen des Schachts sowie das Errichten einer großen Fabrik über Tage.
Außerdem sorgte die Firma – und das war für die Entwicklung Witmars so entscheidend – für Infrastruktur. Sie brachte ihre Arbeiter aus Staßfurt mit, die zunächst provisorisch in Wittmar untergebracht waren. Doch innerhalb kurzer Zeit entstanden unzählige Wohnhäuser. Die Teile Wittmars, die heute südlich der Bundesstraße liegen, bildeten vor Beginn des Bergbaus das Dorf – die Teile, die heute nördlich der Straße liegen sind in relativ kurzer Zeit dazugekommen. Die Direktoren wohnten in den Villen der Kastanienallee, Angestellte in Häusern auf dem Asseweg und die Arbeiter in der Bahnhofsstraße und der Bismarckstraße. Die Fabrik hinterließ einen deutlichen Stempel im Ortsbild. Eine Seilbahn – diese kam jedoch erst einige Jahre später – und Eisenbahn-Gleisanschlüsse machten Wittmar zu einem echten Logistikstandort.
Dann kam der erste kurze Rückschlag: Im Juni 1906 soff Asse 1 – also der Schacht in Wittmar – ab. Das heißt: Die Abbaukammern auf 300 Metern Tiefe füllten sich mit Salzwasser aus dem Gebirge. Der Prozess dauerte gerade einmal eine Woche. Von den Mitarbeitern ist jedoch niemand zu Schaden gekommen. „Und selbst die Pferde, die unter Tage eingesetzt wurden, haben die Bergarbeiter noch nach oben gebracht“, sagt Krämer.
Noch im selben Jahr wurde in Remlingen Salz gefunden, und der Betrieb konnte weitergehen. In Remlingen entstand der Schacht Asse 2. Abgebaut wurde hier ab einer Tiefe von 450 Metern (zum Vergleich: Der gesamte Schacht Asse 1 endete in 410 Metern Tiefe). Das abgebaute Salz wurde weiterhin in der Fabrik bei Wittmar verarbeitet. Dazu wurde das Material aus Asse 2 über eine Seilbahn von Remlingen nach Wittmar gebracht.
Die Burbacher Werke hielten ihre Leute bei Laune. So hat das Werk beispielsweise den Sportverein unterstützt. In den Zeitungsberichten der 50er und 60er Jahre wurden die Fußballer aus Wittmar als Knappen bezeichnet. Regelmäßig fand zudem die Burbach-Olympiade statt, zu der Bergleute von den verschiedenen Standorten des Unternehmens zusammenkamen, um ihre Kräfte zu messen: Reyershausen, Hänigsen, Wathlingen, Neuhof.
Auch das Waldhaus zur Asse bekam die Bergmannskultur zu spüren. Bevor der Bergbau nach Wittmar kam, war das Haus in der Region ein beliebtes Ausflugslokal. Mit dem Errichten der Fabrik blieben die Gäste jedoch wegen der Emissionen aus, bis der Wirt das Lokal aufgeben musste. Burbach hat das Waldhaus kurz danach übernommen. Und es hatte eine blühende Zeit: Als Bergarbeitertreff und Betriebs-Kasino war es ein wichtiger Bestandteil der Freizeitgestaltung bis 1964.
Ab dann begann die Schließung des Bergwerks. Schon ab 1924 wurde in Remlingen kein Kali-Salz mehr abgebaut. Steinsalz war jedoch noch genug da. Zwischenzeitig wurde für das Werk auch ein dritter Schacht begonnen. Asse 3 ging bei Groß Vahlberg ins Berginnere. Von Anfang an kämpfte dieser Schacht allerdings gegen einen erhöhten Laugenzufluss. Salzabbau fand hier gar nicht erst statt.
Auch Arnold Zimmermann kann sich noch gut an diese Zeit erinnern. Der ehemalige Obersteiger hatte 1953 seine Lehre zum Elektriker in Wittmar begonnen. „Ab 1964 habe ich bei der Stilllegung von Asse 2 mitgewirkt“, so Zimmermann. „Die Schließung hat auch Wittmar geschadet“, sagt der ehemalige Bergarbeiter.
Heimatpfleger Krämer stimmt ihm da zu und zeigt Listen, die aus der Firma Burbach stammen. Sie beinhalten die Namen der Mitarbeiter in Wittmar und Remlingen und zeigten an, an welche Standorte sie versetzt werden sollten. „Müller von Remlingen nach Hänigsen“, ist da beispielsweise zu lesen. Zielstandorte waren auch Wathlingen oder Neuhof. „Viele Menschen – insbesondere aus Wittmar -, die das Gemeinschaftswesen getragen haben, waren plötzlich weg“, erklärt Krämer. „Der Bergmannsverein mit seinem Spielmannszug lag danieder.“
Doch noch heute ist Wittmar vom Bergbau geprägt und mit der Bergmannskultur verbunden. „Mein Sohn ist heute, genau wie ich damals, Leiter der Grubenwehr in Asse 2“, erzählt Zimmermann.